Wenn wir von Gewerkschaft reden…
dann meinen wir etwas anderes als die meisten anderen. Die Gewerkschaftsbewegung ist im deutschsprachigen Raum ziemlich auf den Hund gekommen. Die meisten verstehen darunter eine Art Rechtschutzversicherung mit Lohnerhöhungsbonus und Busausflügen zu Großdemonstrationen.
Wir dagegen setzen auf die Fähigkeit unserer Mitglieder zur Kreativität und Selbstorganisation. Im Betrieb, am Arbeitsamt, im Stadtteil. Das Expertentum der etablierten Gewerkschaften wirkte wie ein süßes Gift, das die Gewerkschaftsbewegung über die Jahre träge und wirkungslos gemacht hat. Wie beispielsweise eine selbstorganisierte Betriebsgruppe arbeiten könnte, welche Konflikte sie im Alltag auszufechten hat, oder wie ein Streik effektiv zu führen ist, das müssen wir erst mühsam wieder lernen.
Wenn ihr der IWW beitretet, erwartet euch keine professionelle Rundumversorgung. Dafür habt ihr Möglichkeiten und Raum, eure Fähigkeiten, eure Erfahrungen und euer Wissen einzubringen und auszubauen. Nur so können wir in den nächsten Jahren wachsen.
IWW wieder im Aufwind
In den letzten Jahren hat die IWW vor allem in den USA einen deutlichen Aufschwung erfahren können. Die IWW-Gewerkschaft der Starbucks-ArbeiterInnen (IWW Starbucks Workers Union) ist mittlerweile in New York City, Chicago und Rockville/Maryland vertreten. In Chicago ist ein Kollektiv selbstorganisierter Fahrrad-Kuriere in der IWW. In Kalifornien haben sich 200 LKW-Fahrer, die vorwiegend aus Indien stammen, der IWW angeschlossen und zusammen beachtliche Erfolge erkämpft.
In Großbritannien existiert die größte IWW-Sektion in Europa. Dort sind 200 Mitglieder aktiv, die gewerkschaftliche Branchen-Strukturen im Gesundheits- und Pflegebereich aufgebaut haben, so wie im Einzelhandel und im Bildungswesen.
Join the One Big Union!
Es ist vielleicht der größte Vorteil, den euch die IWW im deutschsprachigen Raum momentan anbieten kann: Wenn ihr beitretet, seid ihr direkt verbunden mit ArbeiterInnen rund um den Globus. Unkomplizierte und schnelle Kontakte bestehen weltweit sowohl zu lokalen Gruppen als auch innerhalb von Branchen.
Was macht eigentlich eine kämpfende Gewerkschaft?
Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, dass eine Gewerkschaft Tausende von Mitgliedern haben und flächendeckend vertreten sein müsste. Davon sind wir weit entfernt und niemand weiß, ob wir jemals dahin kommen. Eine Gewerkschaft kann auch aus drei Beschäftigen einer Kaffeebude am Lenauplatz in Köln-Ehrenfeld bestehen. Dann ist das halt die »Gewerkschaft der Ehrenfelder Kaffee-Buden-ArbeiterInnen« und die setzt ihren Chef gehörig unter Dampf.
1. Die Verteidigung der Rechte jedes einzelnen Mitglieds.
Der absolut wichtigste Punkt. Nicht nur am Arbeitsplatz, auch auf dem Amt, gegenüber dem Vermieter, im Stadtteil. Die Verteidigung unser Mitglieder kann und sollte auf mehreren Ebenen geschehen: Juristische Kompetenz, Arbeitskämpfe, Direkte Aktionen und solidarische Unterstützung aus dem Umfeld. Ein Angriff auf eine(n) ist ein Angriff auf alle!
2. Weiterbildung und Schulung.
Jedes IWW-Mitglied sollte ein Organizer (eine Organizerin) werden. Dafür ist es nötig, sich in verschiedenen Bereichen auszukennen: Rechte und Gesetze, Geschichte der ArbeiterInnenbewegung, Funktionsweise des Kapitalismus und der industriellen Produktion, oppositionelle Kultur (Filme, Bücher, Musik etc.), branchenspezifische Bedingungen usw. Die Orts- und Branchengruppen der IWW werden versuchen, Seminare und Veranstaltungen für ihre Mitglieder und Interessierte anzubieten.
3. Unterstützung von Streiks und Arbeitskämpfen anderer.
Wir sind nur ein (sehr kleiner) Teil der arbeitenden Klasse. Letztendlich kommt es nicht darauf an, in welchen Organisationen sich die arbeitende Bevölkerung zusammenschließt, sondern darauf, dass sie erfolgreich kämpft. Wenn irgendwo gestreikt wird, oder andere Konflikte auf der Tagesordnung stehen, sollte die IWW – wenn möglich – unterstützend dabei sein. Nur in der Praxis können wir Erfahrungen sammeln, lernen und gemeinsam mit anderen ArbeiterInnen weiter kommen.
4. Kulturelle Aktivitäten.
Eine Selbstverständlichkeit, die hier nicht unerwähnt bleiben sollte: Parties, Feste, Feiern, Konzerte, Filme, Lesungen. Plakate, Graffitis, Aufkleber. Essen und Trinken.
Eine Gewerkschaft für alle, aber nicht für jede(n).
Bei uns können alle mitmachen. Egal welchen Beruf sie gelernt haben oder ausüben, egal wo sie herkommen, egal welcher Überzeugung sie anhängen. Wir haben Buddhisten, Anarchisten, Pazifisten, Sozialisten, Rätekommunisten, Christen und Karnevalisten (alle auch in weiblicher Ausführung) in unseren Reihen und der Reigen wird mit jedem Neuzugang bunter. Dennoch gibt es ein paar Einschränkungen, die wichtig sind:
Wobblies dürfen nicht in einer Position arbeiten, die es ihnen erlaubt, Menschen einzustellen oder zu feuern.
Hier verläuft für uns die Grenze zwischen der arbeitenden Klasse und dem Unternehmerlager. Der Wirt deiner Stammkneipe oder die Yogalehrerin aus deinem Bekanntenkreis mögen nette Leute sein, die selbst womöglich viel arbeiten und wenig verdienen. Solange sie andere Leute beschäftigen, können sie keine Wobblies sein. Denn wenn es in ihrem Geschäft zum Konflikt kommt, stehen die Wobblies beinhart zu den Interessen der Lohnabhängigen.
Wobblies dürfen keine Funktionärsposten bei Parteien oder staatstragenden Gewerkschaften (z. B. beim DGB, ÖGB) einnehmen.
Wo kämen wir sonst hin?
Wobblies sind klassenbewusste ArbeiterInnen.
Klassenbewusstsein klingt heutzutage weder besonders modern noch sexy. Es klingt nach den 1920er Jahren oder nach K-Gruppen und Polit-Sekten. Wir wissen das. Dennoch führt kein Weg daran vorbei. »Die arbeitende Klasse und die ausbeutende Klasse haben keine gemeinsamen Interessen«, so lautet seit 1905 der erste Satz der Präambel zur IWW-Verfassung. Jeder Arbeiter und jede Angestellte kann diesen Satz an seinem eigenen Leben überprüfen: »Wie viel Urlaub hätte ich, wenn es nach dem Betrieb ginge? Wie viel Urlaub hätte ich, wenn es nach mir ginge?« Zum Beispiel.
Mit Klassenbewusstsein werden die wenigsten geboren. Oft ist es ein jahrelanger Prozess, zu lernen zwischen arm und reich, oben und unten zu differenzieren und die eigene Position in diesem Koordinatensystem zu finden. Genau das ist aber wichtig, wenn man eine kämpfende Gewerkschaft aufbauen will.
Ein Angriff auf Eine(n) ist ein Angriff auf Alle.