Wahlberechtigte aus 25 europäischen Ländern waren im Juni 2004 zur Wahl des Europäischen Parlaments aufgerufen. Die Sozialistische Partei (SPGB) veröffentlichte und verteilte anläßlich der Europawahl diesen Aufruf.
Er ist typisch für unsere Haltung zu dem, was in der "radikalen" Linken als "Parlamentarismus" bezeichnet und abgelehnt wird. Deutlich wird, dass wir mit dieser Art anti-parlamentarischer Ideologie nichts zu tun haben.
Ebenso wenig, wie mit Vorstellungen einer kritischen Mitarbeit im Parlament zugunsten einer effektiveren Entwicklung der Warengesellschaft, wie dies in der reformistischen Linken üblich ist.
Die Sozialistische Partei ist weder "anti-parlamentarisch", noch "parlamentarisch" in der konventionellen Bedeutung dieser Begriffe.
Denn als "parlamentarisch" wird von der Linken in der Regel das stellvertetende Handeln einer Parlamentsfraktion (Substitutionismus, Hierarchie) für ein besseres Funktionieren privat-kapitalistischer und/oder staats-kapitalistischer Gesellschaften (Reformismus) verstanden. Und mit beidem hat die Sozialistische Partei rein gar nichts gemein.
Hier also der Aufruf:
Eine große Zahl unterschiedlicher Parteien steht zur Auswahl: Christdemokraten, Liberale, Sozialdemokraten, Grüne, Nationalisten, Rassisten, Faschisten.
Aber auch Ex-"Kommunisten", Trotzkisten und andere Linke, die von sich selbst behaupten, Sozialisten zu sein. Jedoch treten alle diese Parteien - in der einen oder anderen Form - für die Fortführung des kapitalistischen Systems ein. Das heißt unter anderem, für das private oder staatliche Eigentum an den Produktionsmitteln und für die Herstellung von Waren, die notwendigerweise vor allem der Erzielung von Profiten und nicht der Befriedigung menschlicher Bedürfnisse dienen.
Die Unterschiede, die es zwischen den kandidierenden Parteien geben mag, berühren vor allem die Frage, wie man dieses System am besten verwalten kann. Manche bevorzugen zum Beispiel stärkere, andere schwächere Eingriffe des Staates in die Wirtschaft. Aber keine will das System der Warenproduktion, der Lohnarbeit und der Profitorientierung überwinden. Alle befürworten weiterhin eine Produktion für den Markt. Sie wollen das Kaufen und Verkaufen, das Geld und den Lohn beibehalten.
Keine von diesen Parteien, auch jene nicht, die sich selbst als "sozialistisch" bezeichnen, treten für den Sozialismus ein, in seiner ursprünglichen und eigentlichen Bedeutung: Für eine Gesellschaft mit gemeinschaftlichem Eigentum und demokratischer Kontrolle aller Produktions- und Verteilungsmittel. Eine Gesellschaft, in der alle Güter für die Befriedigung menschlicher Bedürfnisse erzeugt werden und nicht, um damit Profite zu erwirtschaften. In dieser geldfreien Gesellschaft werden alle Güter nach dem Grundsatz verteilt "von jedem nach seinen Fähigkeiten, für jeden nach seinen Bedürfnissen".
Was ist eigentlich so falsch am Kapitalismus?
Nun, falsch ist, daß der Kapitalismus auf Klassenprivilegien und Ausbeutung gründet. Die Mittel zur Erzeugung der gesellschaftlich notwendigen Güter und Dienstleistungen befinden sich im Eigentum einer winzigen Minderheit der Weltbevölkerung. Und zwar entweder direkt oder - durch die Vermittlung des Staates - indirekt. Eine Konsequenz dieser Eigentumsverhältnisse ist, dass dem Rest von uns nichts anderes übrig bleibt, als unsere Arbeitskraft und unsere Fähigkeiten an diese Eigentümer zu verkaufen. Der Lohn, den wir dafür erhalten, kann jedoch niemals gleich dem Wert dessen sein, was wir erzeugen. Denn sonst gäbe es keinen Profit, den eigentlichen Beweggrund jeder Produktion im Kapitalismus und es gäbe keine Ressource aus dem das Einkommen der Eigentümer stammt.
Falsch am Kapitalismus ist, daß der für dieses System lebenswichtige und ständige Konkurrenzkampf des Kapitals um die höchsten Profite zu einem schnelleren Arbeitstempo, zu mehr Stress und zu unsicheren Arbeitsbedingungen führt. Diese Konkurrenz ist auch Ursache der Zerstörung der natürlichen Umwelt, der Kriege und der Verschwendung des gesellschaftlich erzeugten Reichtums für die Produktion von Waffen.
Der Kapitalismus kann nur so funktionieren, wie er nun mal funktioniert: Als ein System, das gezwungen ist, den Profit über alles andere zu stellen. Diese Gesellschaft kann leider nicht durch Reformen dazu gebracht werden, anders zu funktionieren. Das ist der Grund dafür, dass der Austausch von Regierungen gar nichts ändert.
Die Regierungen, unabhängig davon, mit welcher politischen Farbe sie identifiziert werden, können die ökonomischen Gesetzmäßigkeiten des Kapitalismus nicht ändern. Ganz im Gegenteil: Es bleibt ihnen gar nichts anderes übrig, als gerade in Übereinstimmung mit diesen Gesetzmäßigkeiten zu handeln.
Ein Verhalten, das wir besonders deutlich dann beobachten können, wenn Regierungen, die wegen ihres Versprechens den Kapitalismus zu reformieren und ihn im Interesse Aller funktionieren zu lassen, gewählt wurden, dazu übergehen, Löhne zu senken, Arbeitszeiten zu verlängern, "Sozialleistungen" zu kürzen und öffentliche Dienstleistungen einzuschränken. Sie müssen so handeln, um die für das Kapital lebensnotwendigen Profite zu sichern. Wir haben keinen Zweifel daran, daß es unter den Mitgliedern dieser Regierungen und unter den nun zur Wahl stehenden Kandidaten und Kandidatinnen aufrichtige und gute Menschen gibt, die mit den besten Absichten antreten. Aber es geht hier nicht darum, was sie tun möchten und welche lauteren Absichten sie verfolgen, sondern darum, was sie machen, bzw. was sie im Rahmen des Profitsystems eben nicht machen können, auch wenn sie es wollten.
Der Kapitalismus kann nicht so verändert werden, daß er im Interesse der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung funktioniert. Aus diesem Grund sagen wir, dass sich diese Mehrheit, d.h. die Arbeiter und Arbeiterinnen organisieren sollten, nicht um vergeblich zu versuchen, den Kapitalismus zu reformieren, sondern um ihn vollständig abzuschaffen. Unter "Arbeitern und Arbeiterinnen" verstehen wir in diesem Zusammenhang übrigens Menschen mit den unterschiedlichsten Einkommen, Arbeitsbedingungen und Ausbildungen, die dazu gezwungen sind, ihre Fähigkeiten und ihre Arbeitskraft zu verkaufen, um ihren Lebensunterhalt zu sichern. Dazu gehören selbstverständlich auch jene, die wie die "Arbeitslosen", zeitweise "erfolglos" auf dem Arbeitsmarkt agieren, "Sozialleistungen" beziehen oder von den Löhnen ihrer Eltern oder Lebenspartner abhängig sind.
Ist der Sozialismus nicht bereits kläglich gescheitert?
Mit Sicherheit nicht. Das, was bisher als "Sozialismus" ausgegeben wurde und zum Beispiel in der Sowjetunion und in Osteuropa tatsächlich zu Grunde ging, hatte mit Sozialismus nichts zu tun. Es handelte sich dabei um staatskapitalistische Regimes unter der politischen Diktatur einer einzelnen Partei.
Das, was in diesen Staaten geschah, bewies nicht, daß der Sozialismus nicht funktionieren kann, sondern daß selbst eine höchst rücksichtslose politische Diktatur nicht in der Lage ist, den Kapitalismus im Interesse der Mehrheit der Bevölkerung funktionieren zu lassen.
Das ökonomische System der Sowjetunion gründete immer auf den Prinzipien des Kapitalismus: Güter und Dienstleistungen wurden für den Verkauf hergestellt. Die meisten Menschen mußten ihre Arbeitskraft verkaufen, um Lohn zu erhalten und damit die notwendigen Güter zu kaufen. Es ist wahr, dass es grundsätzlich nur einen großen "Arbeitgeber" gab, den Staat. Aber wie bei den privaten "Arbeitgebern" im Westen, mußte auch hier genügend Profit erwirtschaftet werden, aus dem sich die privilegierte und den Staat kontrollierende Klasse, die Nomenklatura, finanzierte.
Wie gesagt, Sozialismus ist etwas ganz anderes: Es ist eine Welt ohne Staatsgrenzen, ohne Staaten, ohne Klassen. Eine Welt, in der alle natürlichen und gesellschaftlich geschaffenen Ressourcen der gemeinsame Besitz aller Menschen sind und für den gegenseitigen Nutzen Aller verwendet werden.
Der Sozialismus ist der einzige gesellschaftliche Rahmen, indem die Probleme der Menschheit im allgemeinen, und die der Arbeiter und Arbeiterinnen im besonderen gelöst werden können: Arbeitshetze, marode öffentliche Dienstleistungen, Krieg und die Drohung mit Krieg, ökologische Zerstörung, Hunger und all der Rest. Deshalb ist der Einsatz für dieses Ziel das einzige sich lohnende und konstruktive politische Engagement.
Wen wählen?
Es ist nicht unsere Absicht, Ihnen zu empfehlen, wen sie wählen sollten. Wenn Sie keine Alternative zum Kapitalismus sehen, dann werden Sie sich sicherlich für Politiker und Politikerinnen entscheiden, die - in der einen oder anderen Variante - das Interesse des Kapitals vertreten.
Wenn Sie aber den Sozialismus bevorzugen und da es keine sozialistischen Kandidaten und Kandidatinnen bei diesen Europawahlen gibt (wir hoffen, dass dies bei späteren Gelegenheiten anders sein wird), könnten Sie dies dadurch zum Ausdruck bringen, daß Sie "weltweiter Sozialismus", oder einfach "Weltsozialismus" auf den Wahlzettel schreiben.
Wie dem auch sei, am besten wäre es, wenn Sie mit uns in Kontakt treten würden. So könnten Sie mehr über die Alternative zum Kapitalismus herausfinden. Und sollten Sie mit unserem Ziel und der Grundsatzerklärung übereinstimmen, so könnten Sie auch darüber nachdenken, unserer Bewegung beizutreten.
Sozialistische Partei (SPGB)
weltsozialismus(a)gmx.net