Sonntag, 31. August 2008

Anarchismus und Kommunismus

Auf Indymedia http://de.indymedia.org/2008/08/225814.shtml?c=on#comments2 veröffentlichte die Gruppe A.D.A. einige Prinzipien, die sie als notwendig für eine funktionierende anarchistische Gesellschaft betrachtet. Sie meint, dass der Kapitalismus durch ein anarchistisches System, das auf "fünf Axiomen" aufbaut, ersetzt werden soll.

Die Gruppe bat um eine konstruktiver Kritik, die ich hier veröffenlichen will, da das geringe Niveau von Indymedia es dort nicht erlaubt, irgendetwas sinnvoll zu diskutieren.

Der Beitrag von A.D.A. ist kursiv geschrieben.

Was wir NICHT wollen:

1.) Aufruf zur Gewalt

Ich meine, dass Gewalt viele Formen hat und es kaum möglich ist, sie immer zu vermeiden, aber es ist gut, nicht zur Gewalt aufzurufen. Zwar gründen die herrschenden sozialen Formationen seit Tausenden von Jahren auf Gewalt, aber die künftige Gesellschaft, sollte sie sich überhaupt von der jetzigen und den vergangenen unterscheiden, wird weder durch Gewalt erreicht noch aufrecht erhalten.

Alle Klassengesellschaften wurden durch Gewalt geschaffen und sie sind gewalttätig. Eine freie Gesellschaft der sozial Gleichen kann durch Gewalt weder geschaffen, noch mittels Gewalt am Leben erhalten werden. Die Verteidigung einer freien Gesellschaft vor denen, die sie vernichten wollen, dürfte unabdingbar sein. Es würde mich nicht wundern, wenn dazu nicht auch Gewalt notwendig wäre. Es freut mich aber, dass ihr euch selbst nicht als gewalttätige Freaks seht, denn davon gab und gibt es in der Linken schon mehr mehr als genug.

2.) Indoktrination (wir betrachten diese Schrift nicht als Dogma, sondern als sich ewig selbst weiterentwickelnde Ideologie)

Es ist gut, nicht an Dogmen zu hängen, sondern sich von ihnen zu verabschieden. Das individuelle und das gesellschaftliche Bewusstsein sind ständig im Wandel begriffen. An Vergangenem festzuhalten führt in die Niederlage.

Auch wenn ich selbst mich an der Marxschen Analyse der kapitalistischen Gesellschaft orientiere, wie sie im Kapital darlegt ist, bin ich nicht derart unmarxistisch, alles, was Marx dachte und schrieb als das Wort Gottes anzusehen.

Selbst die klarsten Gedanken und die beste Praxis muss sich selbst immer in Frage stellen, also sich selbst gegenüber kritisch verhalten. Das ist ein Zeichen ihrer Qualität. Auch kann Indoktrination nicht zu einer freien Gesellschaft führen. Die Menschen müssen, aufgrund ihrer Erfahrungen in der materiellen Welt, eine freie Gesellschaft wollen. Jedwede Indoktrination ist nur in der Lage, eine Lüge durch eine andere zu ersetzen. Die Linke setzt häufig ihre Indoktrination gegen die (kapitalistische) Indoktrination.

3.) Spaltung (wir betrachten eher kommunistisch orientierte Personen nicht mit Abneigung sondern sehen den Kommunismus als Teilmenge des Anarchismus)

Mit den Begriffen wie Anarchie und Kommunismus kann man alles Mögliche bezeichnen. In dem Sinn, wie ihr Anarchie zu definieren scheint, sehe ich keine großen Unterschiede, zu dem, was ich als Sozialismus (= Kommunismus) bezeichne. Die Frage, was eine Teilmenge wovon ist, halte ich für unerheblich.

I.) Prinzip der Gleichheit

Beispiele:
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1. Alle Individuen der menschlichen Art sind in der anarchistischen Gesellschaft materiell und rechtlich gleichgestellt.

Ich meine auch, dass dieser Zustand erstrebenswert ist. Den Begriff "Recht" würde ich zwar nicht gebrauchen, aber ich glaube zu wissen, was ihr darunter versteht, d.h. ich würde dem auch zustimmen.

2. Alle Individuen der menschlichen Art stehen in der anarchistischen Gesellschaft in keinem hierarchischen Verhältnis zueinander.

Mit Beendigung der Klassengesellschaft und - im Zusammenhang damit - mit dem Ende der Staatlichkeit sollten auch die darauf beruhenden Hierarchien zum Verschwinden gebracht worden sein.

3. Entscheidungen die die Verwaltung betreffen werden von den Individuen behandelt die selbst davon betroffen sind.

Meine ich auch. Aber wir sollten uns darüber bewusst sein, dass sehr viele Entscheidungen viel mehr Menschen betreffen, als dies gemeinhin angenommen wird. Auch kleine Entscheidungen können große Wirkungen verursachen. Insofern müssten Strukturen vorhanden sein, die tatsächlich all diejenigen in einen Entscheidungsprozess mit einbeziehen, die von der Entscheidung betroffen sind.

4. Alle Individuen der menschlichen Art werden in der anarchistischen Gesellschaft nicht aufgrund körperlicher Merkmale, Geschlecht oder Leistung ungleich beurteilt oder behandelt.

Klar – aber das ist doch eine Selbstverständlichkeit.

5. Alle Individuen der menschlichen Art die gesund, arbeitsfähig und gewillt sind Arbeit zu vollrichten arbeiten in der anarchistischen Gesellschaft nach ihren Fähigkeiten und nehmen vom Vorhandenen nach ihren natürlichen Bedürfnissen.

Sehe ich auch so. Darüber schreibt ihr zwar nichts, aber ihr geht wohl vom Ende der Geldwirtschaft aus. Es gibt keinen Austausch mehr. Jeder nimmt, was er braucht. Jeder gibt, was geben kann. Und das freiwillig. Nicht als Opfer, nicht aus Zwang, sondern aus Einsicht und Freude.

6. Behinderte Menschen haben in der anarchistischen Gesellschaft ein Lebensrecht, sie zu achten und zu schützen ist Pflicht aller gesellschaftlichen Mitglieder.

Klar.

II.) Prinzip der Freiheit

Beispiele:
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1. Kein Individuum der menschlichen Art und kein nicht menschliches Leben wird gezwungen für oder in der anarchistischen Gesellschaft zu leben.

Dies ist deshalb richtig, weil niemand zur Freiheit und zum Geben gezwungen werden kann. Solch eine Gesellschaft ist von der freiwilligen Teilnahme ihre Mitglieder abhängig. Diese Teilhabe erfolgt weder aufgrund von Zwang, noch aufgrund eines Glaubens, sondern aus der begründeten Einsicht in die Vorteile, die solch eine soziale Ordnung ohne Herrschaft, sowohl für die beteiligten Individuen, als auch für die Gesellschaft insgesamt bringt.

2. Die Basis der anarchistischen Gesellschaft ist die absolute Freiwilligkeit.

Meine ich auch. Mit Idioten, kapitalistischen Monaden und Zwangsrekrutierten kann so etwas nicht geschaffen werden.

3. Alle Individuen der menschlichen Art die nicht in der anarchistischen Gesellschaft leben wollen aber ihr nicht schaden haben keinen Anspruch auf gesellschaftlichen Besitz, jedoch Recht auf Leben, Entwicklung und erarbeiteten Privatbesitz.

Also, das verstehe ich nicht. In einer freien Gesellschaft gibt es meiner Meinung nach kein Privateigentum. Alle gesellschaftlich erzeugen Güter (und das sind fast alle Güter) gehören allen in gleicher Weise. Ausgenommen sind natürlich persönliche Gegenstände usw.

III.) Prinzip der Solidarität

Beispiele:
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1. Alle Individuen der menschlichen Art der anarchistischen Gesellschaft verpflichten sich, sollte die Möglichkeit vorhanden sein, der gegenseitigen Kooperation.

Ich sehe es nicht als Verpflichtung, sondern als eine aus Einsicht in die Tatsache gewonnene Erkenntnis, dass der Mensch ein soziales Tier ist, das (in der Regel) auf Kooperation und Solidarität angewiesen ist.

IV.) Prinzip der Gewalt

Beispiele:
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1. Die anarchistische Gesellschaft basiert auf Gewaltlosigkeit.
Konflikte innerhalb der anarchistischen Gesellschaft werden verbal gelöst.

Gewaltlosigkeit muss natürlich ein Grundsatz sein. Nicht alle Konflikte können nur sprachlich gelöst werden, aber man sollte es versuchen.

2. Konfliktlösungen dürfen kein ungleiches Verhältnis zwischen den Mitgliedern der anarchistischen Gesellschaft schaffen.

Stimmt, denn dies würde der Aufhebung der Hierarchien widersprechen.

3. Alle Individuen der menschlichen Art der anarchistischen Gesellschaft haben das Recht sich gegen Gewalt von außen zu verteidigen, ihre verteidigende Gewalt darf nicht das Verhältnis der angreifenden Gewalt übersteigen.

Sehe ich auch so. Je weniger Gewalt, desto besser und zwar für alle Beteiligten.

4. Unbewusstes oder bewusstes destruktives Verhalten von Lebewesen gegen die anarchistische Gesellschaft wird nicht toleriert.

Die Frage ist natürlich, wer und mit welchen Methoden darüber entscheidet und was daraus gefolgert wird.

V.) Prinzip des Rechts

Beispiele:
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1. Alle Individuen der menschlichen Gesellschaft verpflichten sich ab der Entwicklungsstufe des Selbst-Bewusstseins freiwillig der Einhaltung der fünf Grundprinzipien.

Ich würde die Pflicht geringer und die Einsicht (Erkenntnis) höher achten.

2. Alle Individuen der menschlichen Art die eine, mehrere oder alle Regeln der anarchistischen Gesellschaft bewusst missachten werden aus der anarchistischen Gesellschaft ausgeschlossen.

Eine anarchistische Gesellschaft kann ich mir, genauso wie eine sozialistische/kommunistische Gesellschaft nur weltweit vorstellen. Insofern stellt sich die Frage, wohin mit den Ausgeschlossenen.

Fazit:

Wir ihr seht, es gibt zwischen uns gar nicht so viele Differenzen, obwohl ich mich selbst nicht als Anarchisten, sondern als Marxisten und libertären Kommunisten bezeichne.

Ananda